Unsere Genossinnen aus Wroclaw, Polen, von Browar Sabotaz, beliefern nun seit einigen Monaten das Gemein & Nützlich Vertriebskollektiv mit ihrem Bier. Mit dem Bier unterstützen sie politische Kampagnen und selbstverwaltete Arbeitszusammenhänge. Wir haben ihnen ein paar Fragen zu ihrem Kollektiv-Alltag gestellt.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, eine Brauerei-Kooperative ins Leben zu rufen?
Tatsächlich war die Idee, eine Kooperative zu gründen als erstes da und wir haben nach einem Produkt gesucht, das für unsere Genossinnen hilfreich sein könnte. Wir wollten etwas produzieren, was sich der kapitalistischen Logik des Exzesses entzieht, also haben wir uns ein Produkt ausgesucht, das ziemlich basic ist und von dem wir glauben, dass es für unsere Kultur wichtig ist.
„Wir glauben, dass unsere Arbeit deckungsgleich ist, zu anderen Strategien gegen Kapitalismus, für Klima- und Tierrechtsbewegungen“
Was ist eure Perspektive auf Solidarische Ökonomie? Und bezieht ihr
euch als Kooperative auf soziale und ökologische Bewegungen?
Wir denken, dass Arbeiterinnen- und Konsumentinnen-Kooperativen eine potenziell effektive Strategie gegen das System der Ausbeutung von Lebewesen sind, darum glauben wir, dass sie Teil des Kampfes sind. Wir glauben, dass unsere Arbeit deckungsgleich ist, zu anderen Strategien gegen Kapitalismus, für Klima- und Tierrechtsbewegungen. Alle Mitglieder unserer Kooperative sind aktiv in politischen Graswurzelbewegungen. Wir haben auch einen Pub in Wrocław (Breslau) in Polen, der ein offener Ort für Linke und Graswurzelaktivistinnen ist.
Organisiert ihr euch als Kooperative gemeinsam mit anderen Kooperativen oder Initiativen…jenseits der Wettkampfregeln des Marktes?
Wir versuchen es. Wir haben gute gegenseitige Unterstützungsbeziehungen mit einem Restaurantkollektiv in Warsaw und einem in Krakow. Wir haben schon Events zusammen organisiert zur Kooperativenbewegung oder auch Bierworkshops. Wir haben auch Köchinnen von einem veganen Warschauer Bistro zu unseren Biereinführungen eingeladen um einander gegenseitig zu promoten. Leider fehlt es uns an Kooperativen, welche essentielle Zutaten für uns herstellen: Malz, Weizen, Hopfen, Hefe.
Wieso habt ihr euch für die Rechtsform Kooperative entschieden? Hat das rechtliche oder andere Vorteile?
Ehrlich gesagt haben wir nicht so viel über Vor- oder Nachteile dieses Modells nachgedacht. Wir
wollten ein arbeiterinnnengeführtes Unternehmen gründen um uns und anderen zu zeigen, dass das möglich ist. Wie schon gesagt sehen wir unser Unternehmen als Teil einer größeren antikapitalistischen Bewegung der Arbeiterinnenselbstorganisation. Wir experimentieren weiterhin mit möglichst egalitären Strukturen bezüglich Arbeitsteilung und Lohnsystem. Das war von Anfang an das Ziel. Wir machen das, um die Entfremdung, der wir alltäglich begegnen, zu vermindern. Rechtlich gesehen haben Kooperativen in Polen vor allem Nachteile…
„Wir sind ein typisches Beispiel für Leute, die versuchen im Kapitalismus ohne Kapital was zu machen…“
Welche Herausforderungen bringt es mit sich als kleine Kooperative gutes Qualitätsbier zu produzieren, insbesondere als linker Betrieb in einem zunehmend politisch rechten Klima in Polen?
Um im Kapitalismus Bier herzustellen brauchst Du Geld. Und natürlich einiges Wissen, welches übrigens nicht besonders geheim ist. Wir sind ein typisches Beispiel für Leute, die versuchen im Kapitalismus ohne Kapital was zu machen… Wegen der begrenzten Ressourcen war unsere Produktion von Beginn an sehr klein (wir können uns Nano- oder gar Piko-Brauerei nennen). Mit den geringen Herstellungsmengen
können wir mehr für die Zutaten bezahlen, weil es weniger in den Preis des Endprodukts hinein wirkt. Aber die Fixkosten pro Flasche, also Löhne, Miete, Steuern etc, sind höher. Das macht es extrem schwierig, mit kommerziellen Bieren in Wettbewerb zu treten.
Als linke Initiative nutzen sowohl die sozialen Medien also auch jede einzelne Flasche als Material, um Graswurzel-Widerstandstaktiken zu propagieren. Damit erreichen wir vor allem Leute aus der radikalen Linken, welche (in Polen) in der Regel wenig Geld für Bier ausgeben können. Das komplettiert unser Hauptproblem, das aus dem Dreiklang Geringes Ausmaß, geringe Produktionsmengen, geringe Verkaufszahlen besteht. Vor diesem Hintergrund ist es leider schwierig, kostendeckend zu arbeiten.
Zudem sind wir mehrfach von Nazis, die in unserer Stadt (Wroclaw) ziemlich aktiv sind, angegriffen worden. Bei unserer Kneipe wurden Fenster eingeschlagen, es gab einen Zwischenfall mit Tränengras und unsere Gäste wurden vor der Tür attackiert. Über mehrere Wochen hatten wir alle drei Tage einen Zwischenfall mit Nazis. Immerhin hat uns das auch viel Unterstützung und Öffentlichkeit gebracht, zuletzt war es somit gar nicht so schlecht.
Eure Flaschenetiketten präsentieren Widerstandsstrategien gegen
Unterdrückung. Könnt ihr was sagen darüber wie ihr zu den Etiketten kommt?
Wenn wir ein neues Bier machen, überlegen wir ein bisschen. Der Name des Biers soll nicht nur eine Taktik bewerben sondern auch irgendwie den Charakter des Biers widerspiegeln. Zum Beispiel heißt unser Frisches Hopfen-Ale „Guerilla Gardening“. Wir wollen auch, dass die Namen
nicht zu offensichtlich sind, so dass sie mit den Geschichten und Abbildungen auf den Flaschen spielen können und somit mehrere (chaotische und anit-autoritäre) Assoziationen zulassen. Das Etikett selbst wird jedes mal von anderen Leuten illustriert. Manchmal kommen Wortspiele vor, die schwer zu übersetzen sind. Trotzdem behalten wir unser für Polen ziemlich radikales Branding – es fällt allen auf, die von uns gehört haben, eben auch den Nazis. Wie wählt ihr eure Zutaten und Lieferkette?
Wir kaufen die Zutaten von möglichst kleinen und möglichst lokalen Strukturen. Wir träumen davon, eine Lieferkette zu haben, welche komplett von Kooperativen organisiert wird, doch davon sind wir weit entfernt. Wir kaufen den Hopfen von einem kleinbäuerlichen Betrieb in Ostpolen. Das ungemalzte Getreide kommt von Höfen in unmittelbarer Nähe zur Brauerei. Aber das Malz, die mengenmäßig wichtigste Zutat für Bier, beziehen wir von
polnischen und deutschen Fabriken. Der Malzmarkt ist stark zentralisiert, somit ist es schwer, kleine Hersteller zu finden. Aber zumindest importieren wir nicht aus fernen Ländern. Wir werden definitiv kein Bier mit amerikanischem Hopfen oder Mango brauen. Wir versuchen unser Bier einfach und umweltfreundlich zu halten.
Wie seid ihr organisiert und wie sichert ihr eure egalitäre Struktur?
Das ist eine schwierige Frage! Wir sind ziemlich chaotisch. Unsere Arbeitsteilung ist flüssig, da gibt es keine festgeschriebenen Rollen. Manche Rollen, wie z.B. die Buchhaltung, sind schwieriger zur rotieren als andere – aber wir versuchen diese Aufgaben nicht einzelnen Personen für immer zuzuschreiben. Die Tresenschichten und das Kochen in der Kneipe rotiert gleichmäßig, wir versuchen auch alle Mitglieder in das Brauen neuer Rezepte einzubinden. Wir treffen alle Entscheidungen in regelmäßigen Treffen, wovon es ein bis drei pro Woche gibt. Unsere Löhne sind außerdem von der Arbeit unabhängig und natürlich haben wir keine_n Chef_in.
Habt ihr Angestellte oder sind alle, die für die Kooperative arbeiten auch Mitglied derselben?
Wir versuchen alle, die für uns arbeiten in die Entscheidungsprozesse einzubinden. Davon sind
die Illustratorinnen ausgenommen, da sie jedes mal wechseln. Inzwischen sind alle Arbeiterinnen auch Teil der Kooperative.
„Wir träumen davon, dass die gesamte Wirtschaft von selbstorganisierten Arbeiter*innenkooperativen übernommen wird.“
Wie geht ihr im Kontext eures Unternehmens mit Privateigentum um? Können die Gewinne von einzelnen Personen privatisiert werden?
Wir sind diesbezüglich in der komfortablen Situation, dass die polnischen Gesetze es verbieten, dass Gewinne von Kooperativen privatisiert werden. Wir müssen alle Gewinne für unsere eigenen Investitionen oder für soziale Zwecke ausgeben. Momentan gibt es natürlich keine Gewinne, das ist also gar kein Thema. Von Anfang an war uns klar, dass wir uns an diese gesetzlichen Vorgaben auch halten werden, wir wissen also, dass wir aus dem Unternehmen nie mehr raus bekommen werden als unsere selbstbestimmten, egalitären Löhne. Wir sehen uns als antikapitalistisch, also sind wir gegen Privateigentum.
Wir träumen davon, dass die gesamte Wirtschaft von selbstorganisierten Arbeiter*innenkooperativen übernommen wird. Es könnte ein guter Anfang sein, einige davon jetzt schon mal zu etablieren um dann Schritt für Schritt die kapitalistische Wirtschaft abzuschaffen und ausbeutungsfreie Lieferketten zu etablieren. Deshalb wollen wir unser Bier vor allem an andere Kooperativen verkaufen. Es wäre perfekt, wenn es ländliche Kooperativen gäbe, die uns Zutaten bereitstellen, grade fällt es jedoch schwer sich das vorzustellen.
Jedenfalls ist die Selbstorganisierung am Arbeitsplatz ein interessante, prototypische Erfahrung, die uns in unseren alltäglichen antikapitalistischen Kämpfen stärkt. Vielleicht wird uns unser Wissen mal helfen Alternativen größeren Umfangs zu organisieren, wenn die Klimakatastrophe eingetreten ist. Bier wird dann mit Sicherheit gebraucht werden.
https://browarsabotaz.pl/Auch erhältlich im Dr. Pogo Veganladen-Kollektiv,
Karl-Marx-Platz 24 in 12043 Berlin oder online beim
Gemein & Nützlich Vertriebskollektiv.
https://www.union-coop.org/shop/
Schreibe einen Kommentar